Warum mussten Hunderte Bäume sterben?
Die Kreuzhorst, Magdeburgs einziges Naturschutzgebiet. Eine 323 Hektar große Heimat für 32 Säugetierarten, die Hälfte davon auf der Roten Liste. Sie ist Habitat für seltene Fledermäuse, 3000 Schmetterlingsarten, Brutplatz für den seltenen Schreiadler und rund 90 weitere Vogelarten, Lebensraum des Elbe-Bibers.
Und jetzt, offensichtlich, ein Selbstbedienungsladen in Sachen Holz. An fünf Stellen türmen sich die gefällten Stämme bis zu vier Meter hoch. Strecken von manchmal über hundert Metern. Eichen mit einem Durchmesser von bis zu 60 Zentimetern und damit um die 150 Jahre alt.
Doch diese Bäume waren nicht nur Lebensraum. Schon vor Generationen begannen sie, der Atmosphäre CO2 zu entziehen, sie speicherten bis heute Tausende Tonnen an Kohlenstoff in ihren Stämmen, Ästen und Zweigen. Bis die Landesforst bis Mitte März mit schweren Harvester den Waldboden durchpflügte, die Bäume abgesägt und das Holz entnommen hat.
Besorgt haben sich mehrere Anwohnerinnen und Anwohner aus Randau-Calenberge, Pechau und Prester an Otto pflanzt! gewandt, sie wollten wissen: Was geht hier vor? Darf so etwas sein? Ist das überhaupt genehmigt? Und warum machen die das? Der Otto pflanzt! e. V. hat deshalb Auskunft erbeten vom zuständigen Dezernat für Umwelt und Stadtentwicklung der Landeshauptstadt.
Am 9. März teilte uns der Fachdienstleiter Hendrik Schulz dazu per E-Mail mit (Auszüge):
„Die Aktivitäten im NSG Kreuzhorst erfolgen mit der Erlaubnis der Unteren Naturschutzbehörde der Landeshauptstadt Magdeburg.“
„Die Erlaubnis findet ihre rechtliche Grundlage in § 18 Abs. 2 Landesverordnung zur Unterschutzstellung der Natura 2000-Gebiete im Land Sachsen-Anhalt (N2000-LVO LSA) und umfasst insbesondere die Unterschreitung des in § 8 Abs. 4 Nr. 5 N2000-LVO LSA genannten Rückegassenabstandes von 40 m im Rahmen der Schadholzbeseitigung.“ (…)
„Nach Einschätzung der Unteren Naturschutzbehörde ist eine Beeinträchtigung des Schutzzweckes bei Einhaltung der erteilten Auflagen im Hinblick auf die aktuellen örtlichen Gegebenheiten nicht erkennbar.“ (…)
„Die Untere Naturschutzbehörde sieht (…) keine Veranlassung zu der Annahme, dass naturschutzrechtliche Vorgaben nicht eingehalten würden.“ (…)
Des weiteren verbittet sich die Stadt von Otto pflanzt!, dass der Verein zu Anfragen besorgter Bürgerinnen und Bürger Stellung nimmt, diese sind an die Untere Naturschutzbehörde zu verweisen.
Was wir hiermit gern tun.
Wenn Ihr also irgendeine Frage zu irgendeiner Fällung im Stadtgebiet habt, schreibt bitte direkt an die Behörde, und stellt Eure Fragen. Ihr löst damit einen Verwaltungs-Vorgang aus, und Ihr habt das Recht auf eine Antwort.
Teilt uns dann bitte an info@ottopflanzt.de mit, ob, was und wann die Stadt Euch geantwortet hat, wir möchten das Thema gern weiter verfolgen.
Hier sind die Kontaktdaten:
Fachdienst Umweltamt
Fachdienstleiter Hendrik Schulz
Julius-Bremer-Straße 10 (Raum 746)
39104 Magdeburg
Telefon: (0391) 540-2542
Fax: (0391) 540-2236
Mail: umweltamt@magdeburg.de
oder per Kontaktformular.
KOMMENTAR
Instinktlos!
Hunderte uralter Bäume, gefällt, gestapelt. Nun sind es „Polter“, wie Forstleute sagen. Riesige Eichen, gewachsen seit dem 19. Jahrhundert. Und man muss kein Fachmann sein, um zu erkennen: Diese Bäume waren fast alle gesund.
Was uns die Verwaltung sagt: Die Fällungen seien legal. Gesetzeskonform. Das muss man auch gar nicht bezweifeln.
Was uns die Verwaltung suggeriert: Die Fällungen seien ohne Auswirkung auf das Naturschutzgebiet, den höchst sensiblen Lebensraum von großteils geschützten Pflanzen und Tieren. Das allerdings darf man bezweifeln.
Was uns die Verwaltung nicht sagt: aus welchem Grund eine solch enorme Menge gesunder alter Bäume überhaupt entnommen wurde.
Was die Bürgerinnen und Bürger erwarten: Dass sich die UNB für den Naturschutz einsetzt. Motto: Wer will, findet Wege – wer nicht will, findet Gründe.
Es darf also spekuliert werden, welchen Erlös eine solche Menge Hartholz in Zeiten der Energiekrise und Rohstoffknappheit erzielt. Wer daran verdient. Und: ob genau dies die Motivation für den Einschlag war.
Wir leben In Zeiten des Klimawandels. Wir beklagen einen gewaltigen Verlust der Artenvielfalt. Wir wissen auch, wie lange Bäume wachsen müssen, um große Mengen CO2 aus der Luft zu binden und zu bewahren.
Vor diesem Hintergrund ist eine solche Maßnahme – genauso, wie die triviale juristische Rechtfertigung der Verwaltung – zumindest: völlig instinktlos.
Hendrik Broxtermann
Otto pflanzt! e. V.