Laubholzmistel oder auch „weiße Mistel“: in kugelförmigen Büschen sitzt sie in den Kronen von Laubbäumen und wirkt dabei oft unscheinbar und klein, ihre Bedeutung hingegen ist groß: Als leicht giftige Heilpflanze hilft sie in bestimmten Dosen gegen Krebs und Blutdruckbeschwerden, als Türschmuck soll sie Schutz und Segen über Häuser bringen und wer unter ihr steht, soll angeblich einen Kuss erhalten. Und für die Bäume? Für die kann sie leider sehr gefährlich (sogar tödlich!) sein. Seit den 1990er Jahren verbreitet sie sich in Deutschland.
Immergrüner Halbparasit
Halbparasiten oder auch Halbschmarotzer ernähren sich von Wasser und Nährstoffen, die sie aus sogenannten Wirtspflanzen (Wirt = ein vom Parasiten bzw. Schmarotzer befallenes Lebewesen) entnehmen. Im Gegensatz zu den Vollschmarotzern, welche alle lebenswichtigen Nährstoffe ausschließlich vom Wirt beziehen, besitzen sie genug Chlorophyll für die eigene Photosynthese und können somit aufgenommenes Wasser mit Kohlenstoffdioxid und Sonnenlicht zu energiereichen Kohlenhydraten weiterverarbeiten. Bei der Mistel werden diese Kohlenhydrate in der Pflanze selbst und ihren unzähligen Beeren eingebaut.
Besonders auffällig ist die Mistel im Winter. Denn sie ist das ganze Jahr über grün und kommt vor allem dann optisch stärker zum Vorschein, wenn die Laubblätter an den Bäumen fehlen. Während der Wirtsbaum gerade eigentlich „Winterpause“ macht und versucht, mit seinen Nährstoffen sparsam umzugehen (siehe auch: unser Beitrag zum Nährstoffhaushalt von Bäumen in Herbst und Winter), zieht die Mistel weiter mithilfe ihrer Saugorgane (den sogenannten „Haustorien“) Stoffe aus seinem Gewebe und bildet davon sogar Beeren. Die schleimigen Früchte werden von Vögeln gefressen. Klebrige Reste bleiben dabei teilweise an den Schnäbeln hängen, werden anderswo wieder abgestreift oder tropfen am Baum auf darunterliegende Äste,
wobei die Kerne aus dem Inneren der Beeren verteilt werden. Auch über Vogelkot werden die Samen wieder ausgeschieden. So verbreitet sich die Mistel und befällt weitere Bäume. In Deutschland hat sie sich auf diese Weise in den vergangenen Jahrzehnten vorwiegend in der südlichen Hälfte ausgebreitet und macht damit vor allem Weiden, Apfelbäumen und Ebereschen das Leben schwer, andere Arten wie Kirschen und Pflaumen werden hingegen nicht befallen. Betroffene Bäume wachsen durch den Nährstoff- und Wasserentzug langsamer als ihre nicht-betroffenen Artgenossen. Die durch den Klimawandel bedingte zunehmende Trockenheit wird damit zur noch stärkeren Belastungsprobe für die Pflanzen, diese Kombination endet mitunter tödlich.
Keine Wurzeln, dafür Saugorgane
In jedem einzelnen Mistel-Samenkorn befinden sich mehrere Embryonen, aus denen bei geeigneten Bedingungen neue Pflanzen heranwachsen können. Ein Keimstängel (das sogenannte „Hypokotyl“) bahnt sich seinen Weg zur Rinde des Wirtsbaumes und schmiegt sich in Form einer Saugscheibe an sie. Enzyme lösen die Rinde auf und anschließend entsteht durch Zellteilung ein Keil, der tief in das Gehölz des Wirts eindringt. Bis die Nährstoff- und Wasser-transportierenden Leitungsbahnen (das „Xylem“) der Wirtspflanze erreicht werden, vergeht ungefähr ein Jahr. Ist dieser Prozess abgeschlossen, bildet die Mistel das erste Blattpaar aus.
Was man tun kann: Baumpflege – und zwar sofort!
Entgegen einem weitläufigen Irrglauben steht die Laubholzmistel NICHT unter Naturschutz (siehe auch: NABU Bundesfachausschuss Streuobst – Misteln in Streuobstbeständen) und darf somit entfernt werden. Um die betroffenen Bäume zu schützen und im schlimmsten Falle sogar vor dem frühzeitigen Tod zu bewahren, ist diese Art der Baumpflege sogar notwendig. Ganze Streuobstbestände – Heimat tausender Tier-, Pilz- und Pflanzenarten und eine der artenreichsten Formen von Ökosystemen in Mitteleuropa – sind bedroht, besonders in Mittel- und Süddeutschland.
Ein von Misteln stark bewachsener Baum benötigt Hilfe. Besonders, um in den zunehmend sehr trockenen Sommermonaten keiner lebensgefährlichen Doppel-Belastung ausgesetzt zu sein.
Regelmäßige Pflege ist einfach
Glücklicherweise wachsen Misteln nur langsam und lassen sich gut entfernen. Das macht die regelmäßige Pflege von betroffenen Bäumen deutlich einfacher. Jedes Jahr vergabelt sich ein Mistelzweig nur einmal, sodass man das Alter direkt an der Pflanze ablesen kann. Ein großer Mistelbusch zeigt also, dass die Pflege am jeweiligen Baum bereits über mehrere Jahre, oder sogar Jahrzehnte, ausblieb. Denn die Mistel kann bis zu 70 Jahre alt werden. Sie begleitet einen Wirt sozusagen regelrecht für sein ganzes Leben, wird dabei immer größer und zieht immer mehr Säfte aus dessen Körper – solange sie nicht entfernt wird oder die Wirtspflanze stirbt.
Klimaschutz als wichtiger Faktor
Es wird vermutet, dass die Klimaerwärmung die Ausbreitung der Mistel begünstigt. Das Gleiche gilt für die Vogelarten, die ihre Samen verteilen. Außerdem sind viele Baumarten durch zunehmend trockene Hitzesommer allgemein geschwächt und anfälliger für Parasiten. Ein prominentes Beispiel hierfür in Deutschland ist der Borkenkäfer, der sich immer in Trockenphasen ausbreitet und Lärchen- und Fichtenbestände zerstört. Der Schutz unseres Klimas wirkt sich daher unmittelbar positiv auf den Schutz verschiedener Lebewesen vor Schädlingsbefall aus.
QUELLEN
Bildquellen
… und drei Fotos von Carina
Weiterführende Links
Die Misteltherapie des Krebses – Matthiessen, P. F.; Tröger, W.
Spektrum.de -Kompaktlexikon der Biologie, Haustorien
NABU – Misteln in Streuobstbeständen
NABU – Misteln auf dem Vormarsch: Halbschmarotzerpflanze gefährdet Obstbäume
NABU – Borkenkäfer im Harz-Nationalpark
Struktur und biologische Aktivitäten der chitinbindenden Mistellektine (Dissertation) – Mirita Franz