
So lange schon hatte Madeleine diese Phantasie: Eine grüne Insel im städtischen Häuser-Meer. Bäume, Sträucher, ganz viel Obst. Summende Bienen, kreisende Vögel, ein Teich. Hühner, Schafe, Schweine. Christian, der Kraftwerker, hatte für Gärten wenig übrig. Doch Madeleine, von Beruf Ärztin, träumte nicht von einem Garten. Sondern von einem Paradies. Jetzt öffnet sich die Tür.
Magdeburg-Lemsdorf. Die Fläche liegt auf einem Plateau. Gut ein Hektar lehmige Erde. Ringsum Kleingärten, Datschen, wenige noch gepflegt. Am 8. März Großeinsatz, Otto pflanzt! und knapp 100 Leute, wir pflanzen 70 Obstbäume und an den Grundstücksgrenzen 500 Sträucher – etwa Weißdorn, Hartriegel, Hundsrose, Stachelbeere und Heckenkirsche.
Zu DDR-Zeiten hatte so gut wie jede Familie einen Kleingarten. Sie waren nicht nur Naherholungsoase für die Menschen, sie dienten auch als Säule der Ernährungsversorgung.
Der Boom nahm nach der politischen Wende kontinuierlich ab. Auch wenn es zur Zeit der Corona-Pandemie nochmal einen kleinen Aufschwung gab, der allgemeine Trend war nicht mehr aufzuhalten. Somit standen immer mehr Gärten leer. So erging es auch der Fläche in Lemsdorf, die wir am 8. März bepflanzt haben. Bis auf ein paar einzelne Parzellen waren alle zum Teil seit Jahren verlassen.

Für die Eigentümer, Familie Arnold, ging es aber schon viel früher los! Am Anfang war der Wunsch nach Veränderung. „Wir waren traurig, wie sehr die Menschen den Bezug, ihre Bindung zur Natur verloren haben“, sagt Madeleine. „Wie oft nur Rasen, Koniferen und Schotter das Bild eines Gartens prägen, wie wenig Bäume und Sträucher, die doch so wichtig sind für die Tiere, Insekten, unsere Umwelt – und am Ende für uns selbst, denn wir sind doch ein Teil der Umwelt.“
Christian: „Alles war voller Koniferen, ohne Vielfalt. Dies wollten wir ändern, eine Streuobstwiese, einen Food Forest anlegen.“ Einen „essbaren Wald“ also. Große Pläne. Für vier Hände und ein paar Freunde recht viel. Und auch: teuer.
Da der Bedarf an Gärten sinkt, verkauft der Staat, in dem Fall vertreten durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die Fläche. Dazu konnte jeder ein Gebot abgeben. So tat es auch Familie Arnold. Ihnen war von Anfang an bewusst, dass die Fläche nicht bebaut werden darf. Dies war auch nicht ihr Ziel.
Für ein Paradies brauchte es einen Plan. Madeleine, die Internistin, las alles, was ihr unter die Finger kam. Bücher, stapelweise. Internet. Zeitschriften. Zu Obstbäumen, zur Ökologie, zur Beweidung, zur Tierhaltung. Abends saß das Paar am Tisch und machte Pläne: Welche Bäume? Wie hoch? Wo kaufen? Wie pflegt man das? Was kostet das? Ein Teich – noch Zukunft, aber woher das Wasser, was soll da rein? Wie schaffen wir das zeitlich? Und wer hilft uns?
Alles Fragen, über die sich das Paar Gedanken gemacht hatte.
Nach kurzer Beratung sagten wir deswegen unsere Unterstützung, aber ohne Haftung, falls es scheitert zu, da wir das vorgelegt Konzept für schlüssig und gut überlegt hielten.

Somit war die Bedingung, dass die Fördermittel vom NABU – 10.000 Euro – nur bewilligt wird, wenn es einen gemeinnützigen Verein gibt, der das Projekt unterstützt, gegeben.
Die Zusage kam noch vor Weihnachten, das einzige geförderte Projekt in Sachsen-Anhalt.
Vor der Pflanzung: schlaflose Nächte für Madeleine und Christian. Sie hatten das Grundstück ja schon gekauft, ein Glücksfall, per Versteigerung. Aber kein Schnäppchen. Die Ersparnisse schmolzen weg… Und schließlich musste die Familie mit Sohn (17) und Töchtern (15, 16) auch noch leben. Dabei ging’s jetzt erst los: Wildes Buschwerk und wertlose Koniferen roden, halb verfallene Lauben abreißen …
Bevor auf der Fläche eine Streuobstwiese entstehen konnte, mussten die alten Gartenlauben und die auf der Fläche dominierenden Nadelgehölze entfernt werden.

Der Trend aus den Neunzigern, Koniferen zu pflanzen, ist nicht nur vorbei, man hat auch erkannt, dass der ökologische Mehrwert der Gehölze nicht gegeben ist. Nachdem die Fläche beräumt war, gab es nur noch in jeder Ecke der 10.500 Quadratmeter großen Fläche eine Laube und einige Gebäude im vorderen Bereich des Areals… und drei gigantisch große Haufen mit Holzhackschnitzeln.
Übrigens, gegen einen kleinen Obolus kann man sich nach Rücksprache mit den Eigentümern Holzhackschnitzel abholen. Bei Interesse vermitteln wir gerne den Kontakt.
Der zweite Teil der Vorbereitung war, zu entscheiden, was wo gepflanzt werden soll. Dazu hatte sich Madeleine ebenfalls belesen, wir hatten ihr außerdem einen Experten zu Food Forest vermittelt, der sich die Fläche angesehen hat, die Fruchtschnitten hatten ihre Expertise eingebracht und die Baumschule hat die Familie fachlich beraten.
Die Bäume kommen aus einer Bio-Baumschule in Niedersachsen.

Die Firma hat in Absprache mit den Eigentümern alle Sorten ausgesucht und einen Plan erstellt, wo welcher Baum am besten stehen soll.

Da es bedeutend aufwendiger ist, einen Obstbaum zu pflanzen als unsere sonst üblichen Heister, entschieden wir uns, einen großen Aufruf zu starten, um die Pflanzung gemeinsam an einem Tag zu realisieren. Wir suchten 80 Freiwillige.


Bei strahlendem Sonnenschein waren dann am Samstag rund 100 Menschen gekommen. Von Kindern bis Rentner waren wieder alle Generationen vertreten. Die vielen Leute brauchten wir auch, da der Aufwand, einen Obstbaum zu pflanzen, wesentlich größer ist, als unsere Heister, die wir sonst pflanzen.
Was ist alles zu tun, um einen Obstbaum zu pflanzen?
Als erstes wird ein Loch von einem Meter im Quadrat und 60 cm tief ausgehoben. Dann kam ein Wühlmausschutz hinein. Nachdem der Baum richtig eingesetzt war, dabei ist darauf zu achten, dass die Veredlungsstelle oberhalb des Erdreiches ist, kam der Pfahl.
Der soll den Baum vor dem Umknicken schützen, fest in den Boden. Dann wurde ein Gießring aus Erde und Holzhackschnitzeln gebildet. Nach dem Angießen und Anbinden des Baumes, war die Aufgabe erledigt. Dies erledigten die fleißigen Helfer bei allen 70 Obstbäumen.
Zusätzlich pflanzten wir noch 500 Sträucher an den Grundstücksgrenzen. Die Fruchtschnitten beschnitten die Obstbäume und eine Gruppe sammelte Müll, welcher von den Abrissarbeiten bzw. den Gartenbesitzern übrig geblieben war.


Mittagspause, Zeit zum Plauschen. Die Helfer und Helferinnen freuen sich über einen Imbiss. Es gibt Pizza, Brote, und Madeleine hat einen großen Topf leckeres Linsen-Dal gekocht. Dann geht’s weiter, bis etwa 16 Uhr. Aufräumen.
Am Ende stehen Christian und Madeleine noch ein paar Minuten allein auf ihrer Fläche. „Es ist so unglaublich“, sagt Madeleine, „was hier an einem Tag geschaffen wurde. Ich konnte letzte Nacht kaum schlafen …“
Aber das ist nur der Anfang. „Bis alles so weit ist, brauchen wir bestimmt drei Jahre“, sagt Madeleine. Dann soll die Obstinsel auch so etwas wie eine Begegnungsstätte werden. „Wir hoffen das sie auch anderen Menschen Freude in der Natur beschert“, sagt Madeleine, „und in jedem den Wunsch nach natürlicher Vielfalt weckt, nach grünen Blätterdächern und Bienensummen.“
Für unsere besondere Pflanzung interessierte sich auch Radio SAW und Laura Födisch interviewte uns. Den Audiobeitrag aus dem Radio bekommen wir in den nächsten Tagen. Frau Födisch hat in einem Beitrag ihre Eindrücke zusammengefasst.
Christian und Madeleine Arnold waren über die so große Hilfsbereitschaft unglaublich dankbar, dies betonten sie auch im Laufe des Tages immer wieder. Ihnen ist auch bewusst, dass die Arbeit für sie jetzt erst so richtig losgeht.
Und wir werden Euch über die Entwicklung des ganz besonderen Projektes natürlich auf dem Laufenden halten!

Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung ...
- … bei allen freiwilligen Helferinnen und Helfern, die tatkräftig mit angepackt haben
- … bei allen Freiwilligen, die Kuchen oder Suppe für alle mitgebracht haben – kostenlos
- … bei Domino’s Pizza für die Pizzen und bei der Fa. Voelkel für die leckere Brause – kostenlos
- … bei der Obstbaumschule & Obstgarten Dr. Ute Hoffmann für die Lieferung der Pflanzen
- bei den Fruchtschnitten für die fachliche Unterstützung bei der Pflanzung und das Beschneiden der Obstbäume
- …. bei Uwe Truckenmüller vom Pflanzenhof Beyme für die Bestellung und Einlagerung der Sträucher
- … bei Emil Underberg für die fachliche Beratung – kostenlos